Falsch verbunden? Bundesfinanzhof befragt Europäischen Gerichtshof zur Umsatzsteuerbefreiung für eine medizinische Hotline
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat Zweifel, ob telefonische Beratungsleistungen eines Gesundheitstelefons, die eine GmbH im Auftrag gesetzlicher Krankenkassen erbringt, als umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistungen gelten. Er hat deshalb den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen (Az. des BFH: XI R 19/95).
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH, die im Februar 2014 im Auftrag von gesetzlichen Krankenkassen ein sogenanntes Gesundheitstelefon betrieb, bei dem Versicherte in medizinischer Hinsicht beraten wurden. Die telefonischen Beratungsleistungen wurden durch Krankenschwestern und medizinische Fachangestellte erbracht, die größtenteils auch als sog. Gesundheitscoaches ausgebildet waren. In mehr als einem Drittel der Fälle wurde zudem ein Arzt, regelmäßig ein Facharzt, hinzugezogen, der die Beratung übernahm bzw. bei Rückfragen Anweisungen oder eine zweite Meinung erteilte.
Die Mitarbeiter der Klägerin meldeten sich unter dem Namen der jeweiligen Krankenkasse. Soweit eine medizinische Beratung gewünscht wurde, erfolgte eine softwaregestützte Befunderhebung, das heißt, eine Kontexteinstufung mit gezielten Fragen zur Thematik, und darauf folgend eine Beratung zu der vom Anrufer angegebenen therapeutischen Versorgungssituation. Dabei wurden Diagnosen und mögliche Therapien erklärt und Ratschläge zu Verhaltens- und Behandlungsänderungen erteilt. So wurde z.B. einer Versicherten mit einem Krampfanfall geraten, sich weiterhin ihrem Neurologen anzuvertrauen. Einem Anrufer mit – vom Kardiologen unbestätigten – Herzrhythmusstörungen und einer Lebensmittelunverträglichkeit wurden zunächst die Symptome von Herzrhythmusstörungen erläutert. Dann wurde ihm geraten, den Hausarzt nochmals aufzusuchen und sich gegebenenfalls einen anderen Kardiologen zu suchen. Zudem wurden ihm die Kontaktdaten von Kardiologen in seiner Nähe mitgeteilt. Die abgeschlossenen Fälle wurden dem ärztlichen Leiter stichprobenartig eingespielt und insbesondere auf die medizinisch-fachliche Nachvollziehbarkeit der dokumentierten Angaben überprüft.
Die Klägerin behandelte ihre Umsätze aus dem Betrieb des Gesundheitstelefons als umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistungen im Bereich der Humanmedizin nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG. Das Finanzamt beurteilte die betreffenden Umsätze dagegen als steuerpflichtig. Die dagegen gerichtete Klage beim Finanzgericht blieb erfolglos.
Gesetzliche Grundlagen
Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, steuerfrei. Dem entspricht die Regelung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG.
BFH verneint steuerfreie Heilbehandlungsleistung
Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG sind alle Leistungen zur Diagnose, Behandlung und – soweit möglich – Heilung von Krankheiten und Gesundheitsstörungen. Darunter fallen auch Maßnahmen, die dem Schutz sowie der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Gesundheit dienen. Eine Heilbehandlung liegt allerdings nur bei einer therapeutischen Zweckbestimmtheit vor. Bei Maßnahmen, die sowohl Heilbehandlungszwecken als auch bloß kosmetischen Zwecken oder der Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands dienen, kommt es – wie so häufig – auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an.
Ausgehend davon vertritt der BFH die Auffassung, dass die telefonischen Beratungsleistungen der Klägerin nicht unter die Steuerbefreiung fielen. Es stünde nicht fest, dass sich an die Beratung eine ärztliche Heilbehandlung anschließe. Außerdem sei nicht klar, ob die Beratungen als „Erstberatung“ Bestandteil einer komplexen Heilbehandlung würden. Zudem erfolge die Information der Anrufenden – zumindest teilweise – nicht auf Grundlage vorheriger medizinischer Feststellungen oder Anordnungen. Auch fehle es in allen Fällen an einem persönlichen Kontakt zwischen Versicherten und Mitarbeitern der Klägerin. Dieser erfolge lediglich über das Telefon.
Aufgabe des EuGH
Der EuGH hat nunmehr zu klären, ob eine steuerfreie Heilbehandlungsleistung auch bei telefonischen Beratungsleistungen vorliegt, die zwar einen medizinischen Inhalt haben, aber unabhängig von einer konkreten ärztlichen Behandlung bzw. im Vorfeld einer solchen erfolgen. Darüber hinaus ist der Frage nachzugehen, ob es ausreicht, dass die Beratungen zu einem großen Teil von „Gesundheitscoaches“ (medizinischen Fachangestellten, Krankenschwestern) erbracht werden und nicht von Ärzten.
Quelle: Bundesfinanzhof, Entscheidung erhältlich unter www.bundesfinanzhof.de